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Donnerstag, 25. November 2010

einmal ohne alles, bitte

Ab heute startet das Pilotprojekt zur anonymen Bewerbung. Ein paar Unternehmen, darunter auch Telekom, Post und MyDays stellen sich und experimentieren mit. Nachdem es inzwischen ja tatsächlich schon, vom Arbeitsamt organisierte, Arbeitgeber Speeddates gibt, kommen nun quasi Bewerber Blinddates dazu.
Um Diskriminierung jeglicher Art zu vermeiden – Frau, Ossi, Behindert, Homo, oder alles zusammen – wird nun auf Fotos verzichtet, Namen geschwärzt und ganz im allgemeinen alle Angaben unterschlagen, die auf die Person schließen lassen. Bewerber dürfen in diesem Verfahren nicht nur nicht Angaben zu Alter, Herkunft, Sexualität etc. machen, auch Zeugnisse und Leistungsnachweise sollen nicht eingebracht werden. Ja was bleibt denn dann? Schon schwierig, oder?
Ok, das Prozedere Bewerbungsfotos machen zu lassen bleibt einem erspart. Fotografen sind da doch immer gleich. „Ja, noch ein bisschen mehr lächeln. Nein, nicht ganz so sehr. Ja, so ist gut. Und nun bitte ein Stück nach rechts drehen. Noch ein bisschen. Ein wenig – ja wunderbar. So bleiben. Könnten Sie den Kopf ein wenig neigen? Ok, wunderbar! So bleiben. Ja, bleiben Sie genau so. Sieht toll aus. Vorsichtshalber noch eins….“ Nach dem Shooting wundert man sich dann mit steifen Hals, ob man wirklich so aussieht.
Mal abgesehen davon, dass ich wirklich nicht weiß, was man denn nun noch überhaupt in die Bewerbung schreibt, frag ich mich wie es dann weiter geht. Also wenn keine Adresse angegeben werden darf – könnte ja auf Herkunft schließen lassen – wie meldet sich der Arbeitgeber dann bei seinen Favoriten um ihn zum Bewerbungsgespräch zu bitten. Mobilfunknummer könnte gehen. Was sagt man dann? „Hallo Herr oder Frau ich weiß nicht wie Sie heißen. Gehört diese Nummer zu Ihnen? Ja? Ok, haben Sie sich bei mir beworben? Ja? Schön! …“
Spätestens an dem Punkt kann man dann aber doch schon noch nachsortieren. Am Telefon offenbaren sich mit einem Schlag Geschlecht und Namen – aus dem anscheinend so viel geschlossen werden kann. Herr/Frau Arbeitgeber kann auch schnell reagieren. „Ja Frau Mandy Chantal Meyer, es tut mir leid, wir werden Sie im weiteren Verfahren nicht berücksichtigen können.“ Oder aber auch:„Schön Herr Paul Schmidt, ich wollte Ihnen mitteilen, dass wir Sie zum Gespräch einladen möchten.“
Mal angenommen Chef gibt an Bürokraft weiter welche Bewerber angerufen und eingeladen werden sollen und Bürokraft lädt dann auch alle wie gewünscht ins Haus ein, kommt noch das Gespräch. Wenn jemand wirklich ein Problem mit Kopftüchern oder sächseln hat oder schlicht misogyn ist, werden diese Ansichten doch jetzt nicht über Bord geworfen. Oder sind dann wirklich Sinneswandlungen ála „vielleicht passt tatsächlich ein brünetter Mann in unseren "swedish hostess service“ an der Tagesordnung?
Auch L’Oreal und Procter & Gamble nehmen teil. Anders als bei Post und Telekom kann ich mir bei diesen Unternehmen vorstellen, dass oft auch Leute gesucht werden, die neben einer gewissen Qualifizierung vor allem auch Charisma, Sympathiefaktor, eben Ausstrahlung mitbringen müssen. Fotos können da schon viel sagen. Wie macht man das? Hach ist das alles Kompliziert.
By the Way, sind Vorstrafen in polizeiliche Führungszeugnissen nicht auch eventuell ein Anlass zur Diskriminierung?
Für mich steht jedenfalls schon länger fest, ich werd kein Arbeitgeber. Aber nun weiß ich auch, dass ich ne Arbeitsstelle finden muss, wo ich schon in der Bewerbung ich sein darf. Ich will kein anonymisiertes Blatt Papier sein. Auch keine anonyme Datei. So wie Em ist, ist sie gut – nordisch, Frau, blond, jung. Mich einfach selbst zu unterschlagen um eventuell bessere Chancen zu haben, das geht zu weit.

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